Die Keimzelle der Revolution

Design wird längst nicht mehr nur als kosmetischer Feinschliff in letzter Instanz wahrgenommen. Dass Gestaltung eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf Verhalten und Vorlieben seiner Nutzer ausüben kann, zeigt alleine schon die Evolution digitaler Applikationen (Stichwort "User Experience Design"). Der Gedanke, dass diese Form des "Nudgings" – also des unbewussten Hinführen zu einer neuen Verhaltensweise – auch in einem gesellschaftlichen Kontext funktionieren könnte, drängt sich einem geradezu auf.

Soweit zur Theorie. Wie sich ein solcher Anspruch in der Praxis niederschlägt, war im Zuge des diesjährigen UNCOVER Designfests zu sehen. Wie kann Design eine Revolution entfachen? Unter diesem Leitmotiv reichten Studierende, Young Professionals, Freelancer und Agenturen aus aller Welt ihre eigenen Interpretationen ein. Von den eingesendeten Werken wurden 25 im Rahmen der Ausstellung FORMSCHAU präsentiert und anschließenden mit dem UNCOVER Designpreis gekürt.
  
Eine schwere Aufgabe für die fünfköpfige Jury, denn die Einreichungen glichen sich zwar in ihrer Güte, zeigten sich aber ansonsten äußert heterogen und deckten ein breites Spektrum verschiedener Disziplinen ab. Letztlich fiel die Entscheidung zugunsten zweier Teilnehmer: "Grow fashion" – eine Designstudie von Cora Schmelzer, die zeigt, wie man aus Pilzen Kleidung macht – teilt sich die Auszeichnung mit dem Team von "The Peacebuilders" – einem kollaborativen Design- und Digitalisierungsstudio in einem Flüchtlingslager auf Lesbos.

Die FORMSCHAU-Ausstellung war jedoch nicht der einzige Vorstoß in Richtung eines neuen Design-
verständnisses. Unter dem Oberbegriff des Revolutionsgedanken diskutierten auch auf der UNCOVER-Conference internationale Speaker verschiedene Disruptions- und Evolutionsansätze, welche Designer heutzutage anbieten können. Für Begeisterung sorgte unter anderem der offene Handlungsaufruf von Anne Stenros, Chief Design Officer der Stadt Helsinki, an die junge Designergeneration im Publikum. Dass Design vor allem die Stadt-entwicklung revolutionieren kann, wurde nicht nur aus ihrem Beitrag deutlich. Auch die Referenten Van Bo le-Mentzel und Laura Bruns votierten für ein Umdenken in der urbanen Entwicklung. Design darf auch vor den politischen Gestaltungs-prozessen nicht zurückschrecken. Beispiele dafür präsentierten u. a. Oliver Rack von NextGov und Cesy Leonard vom Zentrum für Politische Schönheit – auch wenn die Form der jeweiligen Umsetzung in beiden Fällen kaum unter-
schiedlicher hätte sein können.

Ob FORMSCHAU oder UNCOVER-Konferenz – für gestalterische Revolution gibt es naturgemäß kein Patentrezept und ergo auch keine schnelle Antworten auf ihre grundlegenden Fragestellungen. Umso wichtiger ist es, das Gestalter verschiedener Branchen den Dialog und den Austausch suchen: sei es im Sinne von Inspiration oder Kollaboration. In diesem Sinne sind Plattformen wie das UNCOVER Designfest von unschätzbarem Wert – und womöglich die Keimzelle einer kommenden Revolution.